Eine Behörde mit knapp 2000 Mitarbeitenden plante einen Restrukturierungsprozess und wollte seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitend MBSR-Kurse anbieten. Bei der Auftragsklärung stellte die Auftraggeberin allerdings gleich klar: „Über Privates reden wir hier nicht!“. Ich war sehr gespannt.
Ein Jahr vor dem großen Veränderungsprozess wollten die Akteure des internen Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) Kollegen und Kolleginnen auf allen Ebenen gut unterstützen. Sie formulierten als Ziel: Nach dem MBSR-Kurs sollten die Mitarbeitenden in der Lage sein, selbstwirksam die eigenen Ressourcen zu stärken, um in herausfordernden Phasen des Restrukturierungsprozesses darauf zurückgreifen zu können. Ein Baustein, um das Ziel des BGM zu erreichen, waren zwei klassische MBSR-Kurse, an denen Mitarbeitende aller Hierarchiestufen teilnehmen durften. Sie fanden vormittags und in der Arbeitszeit statt. Die Behörde übernahm die vollständigen Kosten. Fehlzeiten, die nicht krankheitsbedingt anfielen, wurden dem Arbeitszeitkonto wieder abgezogen.
Die Themen des Kurses waren grob:
Eine zweistündige Infoveranstaltung, die den Kursen vorgeschaltet war, führte dazu, dass die Kurse schnell ausgebucht waren. Solche Themen hatten bisher keinen Raum in der Behörde und zur Arbeitskultur gehörte, dass man „über Privates nicht spricht.“ Deshalb waren die Kursteilnehmer anfangs sehr interessiert, aber zurückhaltend. Mit genug Zeit zu Beginn und einem offenen Austausch darüber, was Achtsamkeit überhaupt sein könnte, was es ist und was nicht, konnte das Eis schnell gebrochen werden. Von Kurswoche zu Kurswoche tauchten die Teilnehmenden immer tiefer ins Thema ein und probierten die achtsame Haltung in ihrem Alltag. Die Reflexion des dabei Erlebten wurde auf natürliche Weise immer persönlicher.
„Es ist mir in der Kommunikation jetzt vieles bewusster. Das Wahrnehmen dessen, was vielleicht nicht gesagt wird, ist sehr hilfreich. Gerade wenn es schwierig wird, fällt es mir leichter, klar zu bleiben. Dadurch nehme ich nach einem Meeting, in dem es hoch herging, nicht mehr so viele Emotionen mit ins nächste Treffen. Ich kann für mich besser abschließen.“
Alle Kurse haben den gleichen durch das MBSR-Curriculum vorgegeben Rahmen. Und doch ist jeder Kurs anders. So war es auch in diesem Fall. Während in einer Gruppe immer wieder eine bestimmte Problematik der Behörde in den Mittelpunkt gerückt wurde, war im anderen Kurs Persönliches wichtig. Private Herausforderungen rückten in eine Stellvertreterfunktion für das, was jedem von uns im Leben passieren kann, ob auf der Arbeit oder zu Hause.
Was Teilnehmer aus beiden Kursen zurückgemeldeten, war ein Staunen darüber, dass es eigentlich weniger um neue Tools ging, als um eine innere Haltung. Natürlich gibt es „Tools“, um diese Haltung zu kultivieren. Aber da hört es eben nicht auf, sondern fängt genau dort an.
„Obwohl es mir vor dem Kurs so vorkam, als würde er ewig dauern, hatte ich schon in der Mitte ein Gefühl von Bedauern, dass wir uns nicht immer so weiter treffen werden. Ich habe viel gelernt, was mir in meinem Beruf und meinem Privatleben weiterhilft, mit den Herausforderungen, die das Leben nun mal bereithält, umzugehen.“
Case:
Behördenmitarbeiter:innen während einer Restrukturierung begleiten
Stichworte:
Veränderungsprozesse
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Case
Format:
Infoveranstaltung + zwei 8-Wochen-Kurse Mindfulness Based Stress Reduction als Präsenzkurse
Ziel:
Mitarbeitende sollten nach dem Kurs in der Lage sein, selbstwirksam die eigenen Ressourcen zu stärken, um in herausfordernden Phasen darauf zurückgreifen zu können.
Feedback:
„Ich habe viel über mich gelernt. Auch, dass es anderen ähnlich geht wie mir.“
„Ich fand es anstrengender als gedacht. Aber es lohnt sich wirklich!“
Autorin
Eva-Maria Röhreke, Hamburg
Trainings, Vorträge, Workshops, Coaching im Bereich Stress-Prävention seit 2008